Prof. Dr. med. Joachim Liepert beim Vortrag

Zwei Jahre Initiative Schlaganfall im August 2019 – Busfahrt zu den Schmieder Kliniken

Zum Zweijährigen gabs viel Mut

Zwei Jahre Initiative Schlaganfall, zwei Jahre Expertenvorträge. Als Jürgen Findeisen die Initiative 2017 gründete, entstand aus einer Vision das Konzept, Betroffenen und Angehörigen innerhalb einer offenen Gruppe Informationen in Form von kostenlosen Vorträgen anzubieten. Nicht anders sollte die vergangene Veranstaltung werden, nur mit dem kleinen Unterschied, anlässlich der 30. Veranstaltung auch mal über den Tellerrand des Landkreises zu schauen.

Die Initiative Schlaganfall in gespannter Erwartung auf das Programm in der Schmieder Klinik Allensbach

Ziel der Initiative Schlaganfall ist, das Netzwerk mit professionellen Ansprechpartnern ständig zu erweitern, um so Themen mit Informationen für mehr Lebensqualität zu finden. Sprich, je nach körperlicher Beeinträchtigung sollen Betroffene Wege kennenlernen, um ihre individuellen Ansprüche an das eigene Wohlbefinden erreichen zu können. Lediglich an bestimmten Themen Interessierte sind selbstverständlich auch angesprochen. Mit diesem Konzept hat die Initiative ins Schwarze getroffen. Bisher mussten wir mehrere Male die Standorte in Villingen-Schwenningen für die Vorträge gewechselt werden, um auch allen Besuchern wenigstens einen Platz anbieten zu können.

Viele Informationen sind wie ein Weg aus kleinen Bausteinen, mit denen es lohnt, sich ins Leben zurückzukämpfen. In diesem Sinne wurde auch der Rahmen für die 30. Veranstaltung abgesteckt, auf Grund des Jubiläums dieses Mal an einem entfernteren Standort am Bodensee. Nach einem ersten intensiven Kontakt mit den Kliniken Schmieder – angespitzt durch deren hauseigenes Motto „Nie aufgeben“ – kam die Einladung zu einem Vortrag mit dem Ärztlichen Leiter der Neurorehabilitation. Schnell war die Gruppe für eine Busfahrt nach Allensbach beisammen. An dieser Stelle geht auch ein herzliches Dankeschön an die AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg, die mit Fördergeld die Busfahrt ermöglicht hat. Am Klinikeingang empfing uns der Verwaltungsdirektor Martin Zeller.

Auch wenn es vielleicht für Leser dieses Beitrages nach Werbung klingt. Das ist es keinesfalls. Aber was unsere Gruppe erleben durfte, war schon etwas ganz Besonderes, nämlich hochinteressante Vorträge und Führungen, organisiert wie am Schnürchen. Und jetzt schon mal das zweite Dankeschön an alle, die sich vom Empfang, über die informativen Vorträge bis hin zum bestens organisierten Mittagessen um unsere Gruppe bemüht hatten.

Die Allensbacher hatten wirklich an alles gedacht, um uns einen wunderbaren Empfang zu bereiten: Der Wegweiser zu unserem Vortragssaal

Selbst extra für uns aufgestellte Tafeln wiesen den sicheren Weg – trotz ständiger Begleitung – in den Otto-Dix-Saal.

Ein ermutigender Vortrag an die „Extrameile“ zu denken

Das Fallen der sprichwörtlichen Stecknadel wäre im Vortragssaal mit der faszinierenden Aussicht auf den Bodensee deutlich hörbar gewesen, als Prof. Dr. med. Joachim Liepert das Thema Schlaganfall von der Akutphase über die Reha bis hin zur Vorbeugung klar strukturiert und verständlich analysierte. Schwarzmalerei war nicht sein Thema, im Gegenteil. Immer wieder ging es um Chancen und Mut machende Motivation, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Ein oder mehrere Schlaganfälle könnten passieren, doch es gelte das Risiko zu minimieren. Dazu zählt schnelles und richtiges Reagieren auf Symptome, um in der Akutphase die Zeitfenster für eine erfolgreiche Behandlung ausnutzen zu können. Einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg bietet die sich umgehend anschließende stationäre Reha. Moderne Diagnostik ermöglicht hier zielgerichtete und individuelle Therapien. Selbst für Laien erkennbar waren die verblüffenden Aufnahmen vom Gehirn vor und nach dem Beginn motorischer Übungen. Für Professor Liepert ein wichtiger AHA-Effekt für seine Zuhörer: „Hier gilt viel hilft viel. Wenn man sinnbildlich die Extrameile während der Therapie oder auch danach noch dranhängt, dann wird schnell deutlich, dass hier noch was geht. Die Ergebnisse werden auf jeden Fall besser.“ Das Gehirn könne beim Nichtstun verkümmern, aber bei regelmäßigem Training sich wieder regenerieren. Auf einige Stichpunkte aus seinem Vortrag mit garantiertem AHA-Effekt weisen wir am Ende dieses Beitrages in einem Extrakasten an.

Überraschende Einblicke in Therapieräume

Wie jeder an eigenen Stellschrauben drehen kann, um mehr Lebensqualität zu bekommen, dafür gab es in Allensbach viele Mutmacher. Die anschließenden Führungen durchs Haus mit Verwaltungsdirektor Martin Zeller, Therapieleiterin Christina Maßmann und Pflegedienstleiter Daniel Schlegel machten an verschiedenen Therapieabteilungen halt.

Eine kompliziert aussehende Apparatur trainiert beispielsweise das Aufnahmen von Äpfeln und in einen Korb legen
In der Werktherapie nehmen manche auch den Spaß für ein neues Hobby mit nach Hause … einige von unshatten sofort Lust zum kreativen Gestalten
Nicht nur für junge Schlaganfallpatienten ein verlockender Gang zum Üben. Hier kann die Rumpfstabilität trainiert werden
An diesem Gerät – das nach Aussage von Martin Zeller nur wenige Therapieeinrichtungen besitzen – lernen Patienten wieder laufen, aber auch Sturzsituationen zu bewältigen

Überraschend und wohl für jeden auch ein Stück weit beruhigend zugleich, waren die Möglichkeiten, auch schwerst geschädigten Schlaganfallpatienten mit verblüffenden, individuellen Therapie- und Trainingseinheiten den Weg zurück ins Leben zu ermöglichen. Selbst einfache Tätigkeiten im Haushalt können bei Schlaganfallpatienten zum großen Problem werden. In Allensbach gibt es nicht nur Ratschläge für das Zurechtkommen zu Hause, sondern praktische Übungen – Stichwort Frühstückstraining, Haushalttraining und Alltagstraining – bereiten das Wiedererlangen des Selbstständigkeit zu Hause vor, beispielsweise Kartoffelschälen und Bügeln mit einer Hand. Mit Erfahrungen und mitunter einfachen Kniffen können Fähigkeiten geschult werden. Ein paar Beispiele: In der Ergotherapie werden auf ganz unterschiedliche Weise Arme, Hände und Finger mit Unterstützung von Geräten trainiert. Eine auf den ersten Blick hochtechnisierte Anlage unterstützt das Pflücken oder aufnehmen von Äpfeln bis zum in den Korb legen. Und manchmal wird der gesunde Arm sozusagen „weggebunden“, damit niemand in Versuchung kommt und wirklich nur den betroffenen Arm zum Üben benutzt. Am Gangtrainer können schwerstkranke Patienten erstmals wieder das Gefühl von Stehen können bekommen oder mit eingebauter Sturzsimulation späteres sicheres Gehen bei kritischen Situationen zu üben. Und wer hätte gedacht, dass jungen Schlaganfallpatienten durchaus der Wunsch erfüllt wird, mit dem Gangtrainer ein Gefühl für das geliebte Skateboard zu bekommen, um ihrem Ziel näher zu kommen, irgendwann allein damit wieder fahren zu können. Es ist das Motto der Therapie und Pflege, individuelle Ziele jedes einzelnen zu kennen, um alltagsnahe Übungen und Trainingsmöglichkeiten festzulegen. Natürlich gibt es auch einen kreativen Bereich, die sogenannte Werktherapie, wo mancher vielleicht ungeahnte Wünsche für ein neues Hobby mit nach Hause nimmt. Aber was, so fragten sich manche, kann eine Kletterwand in dieser Klinik bewirken? Zuerst einmal spricht sie jüngere Betroffene an und zum anderen kann für jeden die Rumpfstabilität geübt werden. Und, und, und…Fazit von uns: Was es nicht alles gibt!

Auf vier Etagen – mit Aufzug gut erreichbar – tauchen wir in vergangene Zeiten ein, mit Traktoren, Oldtimern, Ladeneinrichtungen, Friseur, gemütlichem Wohnzimmer, kleinen Handwerksbetrieben, Klassenzimmer … Erinnerungen wo man geht und steht.

Ausklang der Reise im Auto- und Traktormuseum

Und ganz im Sinne des Klinikmottos verabschiedete sich Prof. Liepert mit Ratschlägen, das Schlaganfallrisiko um 80 Prozent zu senken: „In der Vorbeugung hat mal vieles in der Hand, man muss es nur tun.“ Das Stichwort aktiv sein passte recht gut zum Abschluss des Tages mit einem Abstecher nach Uhldingen-Mühlhofen zur Besichtigung des Auto- und Traktormuseums und einem kleinen Kaffeeklatsch im benachbarten Restaurant mit herrlichem Ausblick in Richtung Bodensee.

Prof. Dr. med. Joachim Liepert zu den wichtigsten Symptomen und Risiken:
 Symptome, die auf einen möglichen Schlaganfall deuten:
Jetzt gilt es schnell zu handeln – nie zuerst zum Hausarzt gehen, hier verrinnt im Wartezimmer die 
entscheidende erste Zeit die eine erfolgreiche Behandlung ermöglicht. Wichtig: umgehend die 112 anrufen: 
- Sehstörung auf einem Auge 
- halbseitige Schwäche 
- halbseitige Gefühlsstörung 
- Sprachstörung (Aphasie) 
- Sprechstörung 
- Gesichtsfeldausfall 
- Doppelbilder 
- akute Kopfschmerzen, die man so noch nie erlebt hat  
 
 Risikofaktoren für einen Schlaganfall :
 - Rauchen  2-5 fach
 - Alkohol  1,5-3 fach
 - Schlaf-Apnoe-Syndrom  2 fach
 - die Pille mit viel Östrogen 2-3 fach
 - Diabetes mellitus 2-3 fach
 - Erhöhte Fettwerte 2-3 fach
 - Übergewicht 1,5-2 fach
 - Amphetamin-Einnahme(Drogen) 5 fach
 - Bluthochdruck 6-8 fach
 - Vorhofflimmern 5-17 fach  
  
 Stichworte, für die persönliche To-do-Liste:
Karies  und Paradontose können Entzündungen hervorrufen, die zu einer stärkeren
Blutverklumpung führen können, was wiederum ein größeres Gerinsel hervorbringen
kann – ein Schlaganfall kann so viel schlimmer ausfallen.
Cholesterinwerte liefern wichtige Aussagen zum Fettstoffwechsel,
Schlaganfallpatienten sollten einen LDL-Cholesterinwert kleiner als 70 haben
Eine Halbierung des Schlaganfallrisikos kann durch geeignete Ernährung
erreicht werden:  
- hoher Anteil von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten 
- Nüsse und Getreideprodukte 
- Olivenöl 
- mehr Fisch, weniger Fleisch 
- Wein nur in geringer Menge 
Bewegung senkt den Blutdruck, senkt den LDL-Cholesterinwert, verbrennt Zucker
und senkt Entzündungswerte, es kommt aber auf die richtige Dosis an:
ideal 3-5 x die Woche 1 Stunde, aber auch 3 x 30 Minuten helfen schon.
Dabei sollte der Puls gegenüber dem Beginn der Übung um 30 Prozent steigen
 
Der Schlaganfall ist ein absoluter Notfall - in jeder Minute ohne Blutversorgung
im Gehirn sterben 1,9 Millionen Nervenzellen ab – deshalb gilt immer „Time is Brain“