In der März-Veranstaltung beantwortete Silvia Haas, Kundenberaterin CompetenceCenter Besondere Leistungen bei der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg, in unserem Interview Fragen rund um das Thema Medikamente
? Was ist, wenn Medikamente nicht lieferbar sind, der Arzt das Medikament aber für notwendig erachtet? Das betraf in diesem Jahr ja auch den Grippeimpfstoff?
Silvia Haas: Ist ein Medikament aktuell nicht lieferbar, versucht der Apotheker dieses durch eines mit gleichen Wirkstoffen von einem Anbieter auf dem deutschen Markt auszutauschen. Sollte auf dem deutschen Markt das Medikament nach wie vor nicht verfügbar sein, gibt es die Möglichkeit das Medikament aus einem EU-Land zu importieren.
Das Problem der Nichtlieferfähigkeit des 4-fach-Grippeimpfstoffs war, dass eigentlich ein 3-fach Grippeimpfstoff angeboten werden sollte. Durch Importe konnte aber rasch eine flächendeckende Versorgung erzielt werden.
Allgemein ist es so, dass Apotheken Präparate aus dem Ausland beziehen können, oft ist es auch so, dass das Arzneimittel in Deutschland hergestellt wird, exportiert und dann wieder importiert wird. Der Kunde bekommt in jedem Fall nur „sein“ Medikament.
? Sind homöopathische Medikamente generell selbst zu bezahlen?
Silvia Haas: Es ist ein Trend, dass viele, besonders junge Menschen auf homöopatische Medikamente zurückgreifen. Es ist leider so, dass mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2004 festgelegt wurde, dass apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst finanziert werden müssen, wobei es Ausnahmen gibt, wenn bestimmt Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten.
Viele Kassen wie auch die AOK hat zum Nutzen ihrer Patienten seit 3 Jahren ein so genanntes Gesundheitskonto eingerichtet, über das homöopatische Arzneimittel und alternative Arzneimittel der Phytotherapie (pflanzliche Arzneimittel) mit bis zu 200 € im Jahr bezuschusst werden. Voraussetzung ist eine grüne Empfehlungsverordnung von einem Haus- oder Facharzt der in Richtung Naturheilverfahren und Homöopathie praktiziert.
Die Medikamente werden gegen Vorkasse selbst besorgt und dann im zuständigen Kundencenter zur Erstattung eingereicht.
? Wie werden Krankenkassen über alle neu zugelassenen Medikamente informiert?
Silvia Haas: Grundsätzlich werden Neuzulassungen von Medikamenten in Deutschland über die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände eingespielt.
Die Gesetzlichen Krankenversicherungen arbeiten wie auch die Apotheken mit dem Nachschlagewerk LAUER-TAXE®, dort werden zum 15. jeden Monats alle Daten wie Preise, Zulassungen, Inhaltstoffe, Festbeträge, Mehrkosten, Zuzahlungen etc. aktualisiert.
Für tagesaktuelle Recherchen greifen auch wir täglich zum Internet mit Suchmaschinen, die Transparenz wäre sonst in der Schnelllebigkeit der Änderung von Preisvereinbarungen und Generikaanbieter nicht möglich. Für Kunden ist es natürlich von Vorteil, das wir als AOK Baden-Württemberg vor Ort sind und so Anfragen von Apotheken oder Ärzten zeitnah regeln können. Gelingt uns das nicht vor Ort, hat die AOK BW ein Referat Arzneimittel in Stuttgart, das schnell und unbürokratisch weiterhelfen kann.
? Kann ich abgelaufenen Medikamente trotzdem noch nehmen? Sind auch äußerlich anzuwendende Medikamente vom Verfall betroffen? Was mache ich mit überlagerten bzw. nicht mehr benötigten Medikamenten?
Silvia Haas: Grundsätzlich sollten überlagerte Medikamente nicht mehr eingenommen werden, besonders große Vorsicht ist geboten bei Medikamenten, die oral eingenommen werden, bei Medikamenten, die gekühlt aufbewahrt werden sollen, bei Augen-, Ohren- und Nasentropfen.
Cremes können ranzig werden – auch hier gilt: weg damit, zur Haltbarkeit und dem Einsatz von Medikamenten über das Verfallsdatum, rate ich Ihnen, gegebenenfalls Ihre Apotheke des Vertrauens zu Rate zu ziehen.
Ein Grundsatz gilt allerdings immer: Die Arzneimittelhersteller haften generell nur bis zum Verfallsdatum.
Die Entsorgung von alten Medikamenten darf immer nur über den Restmüll erfolgen, nicht über WC oder Abfluss, da so die Umwelt Schaden nimmt, Bestandteile können das Grundwasser verunreinigen.
Vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gibt es den Flyer „Alles klar“, der aufzeigt, wie alte Arzneimittel richtig entsorgt werden – er ist am Ende des Beitrags angefügt.
? Gibt es Probleme durch bzw. bei Versandapotheken? Kann ich dort auch Rezepte einreichen? Bestimmt die Krankenkasse die Versandapotheke oder gibt es keine Einschränkungen? Was ist bei Versandapotheken zu berücksichtigen ?
Silvia Haas: Generell können Sie auch über Versandapotheken bestellen. Die Versandapotheken, die eine Abrechnung mit der Krankenkasse tätigen können, verweisen in der Regel auf Ihrer Webseite über die Modalitäten.
Für uns als Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist die Abrechnung wie bei einer niedergelassenen Apotheke, der Versicherte bezahlt die gesetzliche Zuzahlung. Die Rezepte werden per Datenträgeraustausch an uns übermittelt und die Kosten bezahlt – wenn die Apotheke eine Zulassung hat um mit der GKV abzurechnen.
Sie als Kunde müssen entscheiden, ob Ihnen die Beratung beim Apotheker Ihres Vertrauens vielleicht doch sinnvoller ist. Er kennt in der Regel genau Ihre Vorerkrankungen, weiß welche anderen Medikamente Sie einnehmen und ob es vielleicht unerwünschte Nebenwirkungen geben kann. Allerdings gibt es bundesweit immer mehr niedergelassene Apotheken, die auch einen Versandhandel anbieten.
Wir als Krankenkasse überlassen es Ihnen wo Sie Ihre Medikamente beziehen. Es gilt: Arzneimittelverordnungen können bundesweit in jeder zugelassenen Apotheke eingelöst werden.
? Ich bin im Auslandsurlaub und benötige unverhofft Medikamente, wie ist hier die finanzielle Regelung ?
Silvia Haas: Generell sollten Sie sich als chronisch erkrankter Patient ausreichend mit Medikamenten, die Sie regelmäßig einnehmen müssen, über Ihren Hausarzt versorgen.
Benötigen Sie aber im Rahmen einer Notfallbehandlung im Ausland ärztliche Versorgung, dann haben Sie in einem EU-Land die Möglichkeit mit Ihrer Krankenversicherungskarte (EHIC-Karte – European Health Insurance Card) schnell Hilfe zu bekommen.
Die ausländische Krankenkasse rechnet dann im Auftrag der deutschen GKV direkt mit uns ab, Sie müssen lediglich die Zuzahlung nach ausländischen Rechtsvorschriften bezahlen.
In einem bilaterales Land (z.B.: Türkei, Schweiz) benötigen Sie einen sogenannten Berechtigungsschein, der Ihnen bei der Krankenkasse vor Ort ausgestellt wird. Auch dann sollte die Abrechnung direkt abgewickelt werden können.
Für länger planbare Behandlungen ist es sinnvoll sich vorab bei uns im Kundencenter zu informieren, und ggf. ein Formular E 112 einzuholen, mit dem wir der Behandlung im Ausland zustimmen.
Sollte die Abrechnung aber trotzdem nur nach Vorkasse im Ausland abgewickelt werden, dann bezahlen Sie die Arzneikosten, die ärztliche Behandlung, etc. und reichen Ihre Ausgaben nachträglich im Kundencenter ein.
Bis 100 € bekommen Sie die Kosten in der Regel abzüglich Ihrem Eigenanteil nach deutschen Rechtsvorschriften erstattet.
Über 100 € werden die maximalen Analogsätze nach deutschen Sätzen erstattet.
Über 1000 € oder auch bei Unklarheiten wird eine Sachleistungsanfrage bei der ausländischen Krankenkasse gemacht.
? Was ist mit Medikamenten die es auf Rezept gibt, die aber billiger als die Rezeptgebühr von 5 € sind? Kann ich hier selbst entscheiden und den Arzt um ein Selbstzahlerrezept bitten? Wenn ja, wo kann ich dazu Unterlagen zur Info bekommen?
Silvia Haas: Wenn die Kosten unter 5 € liegen, bezahlt der Versicherte auch nicht mehr. Wichtig ist aber, dass der Arzt das Medikament immer auf Kassenrezept verordnet, da die Verordnung seiner Richtgröße (je nach Arztgruppe ) zugeordnet ist.
Die Ärzte verordnen daher immer gerne privat, um das Budget geringer zu halten, was aber nicht richtig ist.
Interessant ist das aber nur für Versicherte, die von der gesetzlichen Zuzahlung befreit sind.
Bei der Härtefallberechnung fließen dann die tatsächlichen Kosten auch in die Berechnung mit ein.
Schnell und unbürokratisch können Sie Preise als AOK-Kunde bei mir telefonisch einfordern.
Auch Informationen über eingereichte abgerechnete Medikamente, die die Apotheke mit uns abgerechnet hat, können Sie gerne bei mir einfordern.
Die Verordnungen liegen uns per Datenträgeraustausch ca. 1,5 Monate nach Einlösung in der Apotheke vor.
? Welche Medikamente muss ich generell selbst bezahlen? Mit welchen unterschiedlichen Zuzahlungen muss der Patient rechnen? Wie entstehen diese verschiedenen Summen (z.B. üblich 5.- €, mitunter 10.- € etc.)?
Silvia Haas: Generell selbst zu bezahlen sind apothekenpflichtige Medikamente, Medizinprodukte, oder Verbands- und Hilfsmittel, für die es keine Preisvereinbarungen seitens der GKV gibt.
In der Regel kann Ihnen das die Apotheke vor Ort auch schnell beantworten., das ist in der Software der Apotheke abgebildet. Für Rückfragen kann sich die Apotheke, der Arzt oder auch gerne jeder Versicherte direkt an uns wenden.
Gesetzliche Zuzahlungen sind im Sozialgesetzbuch geregelt.
Derzeit gilt generell für Medikamente folgendes: Mindestens 5 €, aber nicht mehr als die tatsächlichen Kosten (kostet ein Medikament weniger als 5 € kostet, bezahlt der Kunde auch nur die tatsächlichen Kosten, wenn ein Medikament zwischen 50,01 € und 99,99 € kostet, dann ist die gesetzliche Zuzahlung 10 % der Verkaufssumme, alle Medikamente über 100 € sind mit 10 € Zuzahlung pro Packung zu bezahlen.
Wichtig: werden mehrere Packungen des selben Medikamentes verordnet, ist jeweils die Zuzahlung pro Packung fällig.
Einzig bei enteraler Ernährung (Sondennahrung), gilt die Zuzahlung pro Zeile, auch wenn mehrerer Packungen verordnet sind.
Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln gelten 10 % – aber maximal 10 € pro Monat pro Indikation.
Verbandsstoffe sind als Arzneimittel einzustufen.
Keine Zuzahlung ist zu entrichten für Glucoseteststreifen (geregelt im SGB V).
Eine Übersicht über die Zuzahlungsregeln bei der AOK finden Sie im Flyer „Zuzahlungen auf einen Blick 2019“ am Ende des Beitrags.
? Was gehört alles in die Bewertung der Zuzahlungsbefreiung (Auch z.B. verordnete therapeutische Maßnahmen, Erkältungsmittel, die nicht rezeptpflichtig sind…)?
Silvia Haas: Zur Berechnung der Zuzahlungsbefreiungen zählen alle verordneten Medikamente die auf Kassenrezept verordnet wurden, auch Verbandsstoffe, Hilfsmittel oder Sauerstoffversorgung und Heilmittel, Fahrtkosten, Zuzahlungen von stationären Akut-Einrichtungen und Rehaeinrichtungen.
Nicht erstattet werden können apothekenpflichtige Medikamente, die auf Empfehlungsverordnung verordnet wurden, und die in der Regel apothekenpflichtig sind.
Der Arzt und die Apotheke sollten Sie aber bereits darauf hinweisen, dass diese Kosten selbst zu bezahlen sind.
Für Patienten mit chronischer Erkrankung, dazu zählen natürlich Schlaganfallpatienten, gilt: 1% vom Bruttoeinkommen (eine Bestätigung vom Arzt ist erforderlich), für alle anderen gilt 2% vom Bruttoeinkommen müssen selbst getragen werden.
? Warum bekomme ich angeblich gleiche Medikamente von anderen Herstellern mit anderer Bezeichnung in der Apotheke – obwohl vom Arzt anders verschrieben, manchmal sogar auch mit dem Kreuz auf dem Rezept. Nach einem längeren, erfolgreichen Einnahmezeitraum kann das den Patienten verunsichern. Entscheidend für mich als Patient ist die Wirkung des Medikamentes möglichst ohne Nebenwirkungen. Auf dem Beipackzettel fehlen beim Vergleich von Generika manchmal Stoffe (Wirkstoffe oder Füllstoffe kann ich als Laie nicht beurteilen). Welche Möglichkeit habe ich als Patient, das vom Arzt verschriebene und für mich als Patient erfolgreich wirkende Medikament zu erhalten?
Silvia Haas: Generell sollten – wenn verfügbar – Generika vom Arzt verordnet werden. Geregelt ist das im Sozialgesetzbuch .
Es soll dazu dienen, die Arzneimittelversorgung wirtschaftlich und günstig in Deutschland zu erhalten. So kann Geld für andere wichtige Ausgaben zur Verfügung gestellt werden (neue Behandlungsmethoden etc.)
In vielen Fällen ist ein Austausch auch möglich. Die „Stellschraube“ ist immer der verordnende Arzt, wenn es medizinische Bedenken gibt, entscheidet er mit aut-idem (das berühmte Kreuz auf dem Rezept!) auf der Verordnung, dass der Apotheker keine Substitution vornehmen darf.
Oft ist das aber mit erheblichen Mehrkosten über dem Festbetrag zu rechnen, den der Gemeinsame Bundesausschuss für den Wirkstoff festlegt hat.
Es ist eigentlich auch ein Mittel, die Pharmahersteller dazu zu bewegen, die Verkaufspreise zu senken, und sich dem Festbetrag anzunähern.
Macht das der Hersteller nicht, enstehen oft erhebliche Mehrkosten über Festbetrag zusätzlich zu den gesetzlichen Zuzahlungen, die vom Versicherten selbst zu bezahlen sind.
Verordnet der Arzt nicht mit aut-idem, haben Versicherte die Möglichkeit die Wahl, ein Wunscharzneimittel in Anspruch zu nehmen.
Das funktioniert wie folgt: Bezahlung des Medikamentes in voller Höhe, Apotheker führt die Verordnung über das Abrechnungszentrum an die Krankenkasse ab.
Der Versicherte bekommt eine Kopie der Verordnung und eine Quittung. Er reicht es dann im Kundencenter ein. Der Preis wird dann heruntergebrochen auf die Festbeträge und Rabattverträge abzüglich von Rabatten, Zuzahlungen und Verwaltungskosten.
Wichtig zu beachten ist, dass der Versicherte immer mit erheblichen Zuzahlungen rechnen muss – er kann aber dann so das Medikament beziehen, das ihm der Arzt nicht mehr verordnet.
? Rabattverträge – was verbirgt sich dahinter, warum schließen Krankenkassen nicht einheitlich Rabattverträge mit Herstellern ab, nach welchen Kriterien werden die Hersteller ausgewählt?
Silvia Haas: Im SGB ist verpflichtend geregelt, dass Rabattverträge abgeschlossen werden müssen.
Es gibt eine Ausschreibung für „Generikawirkstoffe“ , die auf 2 Jahre ausgeschrieben werden.
Auswahl wird nach Verfügbarkeit, Verträglichkeit, Lieferfähigkeit, Wirtschaftlichkeit ausgesucht.
Bei der AOK BW gibt es ein Gremium das die Ausschreibungen unter gesetzlicher Vorgaben genau prüft.
Für Versicherte der AOK BW, die sich bei Ihrem Arzt in das Hausarztprogramm oder bei bestimmten Ärzten in das Facharztprogramm eingeschrieben haben, entfällt dann für viele Generikamedikamente die Zuzahlung.