– Ein Vortrag anlässlich des Tages gegen den Schlaganfall –
Die Initiative Schlaganfall hatte Betroffene, Angehörige und Interessierte zu einem Vortrag mit Dipl.-Psych. Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Norbert Grulke, Ärztlicher Direktor der Luisenklinik, nach Bad Dürrheim eingeladen.
Mit einem interessanten Einstieg in die Historie, angefangen mit der Betrachtung psychischer Störungen von Hippokrates (460 bis 370 v.Chr.), über die „Befreiung der psychisch Kranken von ihren Ketten“ mit dem Beginn der wissenschaftlichen Erforschung durch Philippe Pinel Ende des 18. Jahrhunderts schlug er den Bogen bis ins Heute.
Im vollbesetzten Konferenzraum hätte man eine Stecknadel fallen hören können, als Prof. Grulke die Aufmerksamkeit auf Depressionen nach einem Schlaganfall lenkte: „Ein Schlaganfall trifft oft nicht nur das Gehirn sondern auch die Seele. Zu zirka einem Drittel entwickeln Menschen nach einem solchen Ereignis zusätzlich eine Depression. Oft verursacht dies eine tiefe Traurigkeit mit Gefühlen der Sinn- und Hoffnungslosigkeit und einer schwer zu überwindenden Antriebslosigkeit. Und das gerade in einer Zeit, in der viel Energie für die notwendigen Therapien des Schlaganfalles notwendig wäre.“ Seine Präsentation umfasste Themen zur Depression im Allgemeinen und im Besonderen nach einem Schlaganfall sowie letztendlich auch deren Behandlungsmöglichkeiten berühren. Laut einer Studien sind jährlich etwa 90.000 Patienten betroffen, davon vorwiegend Frauen. Als Ursache werden vordergründig gesundheitliche Einschränkungen genannt, die nach der Erkrankung den Betroffenen permanent Kraft und Motivation abverlangen. Rückschläge und vermeintlich aussichtslose Erfolge therapeutischer Maßnahmen, die zur Verbesserung der Mobilität führen sollen, fordern fast täglich einen eisernen Willen zum Weitermachen. Und das mitunter über längere Zeiträume hinweg. Wenn dann Mutlosigkeit den oft mühsamen Weg zu sichtbaren Erfolgen überdeckt, besteht die Gefahr einer Depression.
Kurz und bündig ein paar der interessanten Fakten:
- Eine negative Einstellung ist das größte Problem psychischer Erkrankungen, zu denen die Depression gehört.
- Als Folge eines Schlaganfalls treten bei rund einem Drittel der Patienten Depressionen auf, die wiederum als Risikofaktor für geringere motorische und kognitive Fähigkeiten gelten, aber auch verantwortlich für eine höhere Todesrate sein können.
- Das Risiko einer Depression nach Schlaganfall ist bei Frauen, bei Patienten, die bereits eine Depression hatten, bei Älteren, bei Aphasie und Demenzkranken höher.
- Symptome der Depression: Verlust von Interesse und Freude, verminderter Antrieb und eine tiefe Traurigkeit. Dazu kommen ein vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Appetitminderung, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, Schlafstörungen, das Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven und auch Suizidgedanken.
- Ursachen können sein: frühkindliche Erfahrungen, lerngeschichtliche Aspekte und biologische bzw. genetische Faktoren. Der Auslöser kann Stress oder – wie bei einem Schlaganfall – ein kritisches Lebensereignis sein.
- Interessanter Vergleich: Orthopädische Patienten mit gleichen Einschränkungen wie Schlaganfallpatienten erfahren deutlich seltener eine Depression, da bei diesem die Psyche durch das Ereignis stark beeinflusst wird.
- Auffallend ist die Wechselwirkung zwischen der Behandlung eines Schlaganfalls und der Depression: Die Therapie des Schlaganfalls erfordert viel Motivation, anstrengende Übungen, die teilweise langweilig aber auch schmerzhaft sein können und man braucht die Hoffnung, dass die harte Arbeit es auch wert ist. Aber das typische Merkmal der Depression ist der Verlust an Antrieb und Hoffnungslosigkeit.
- Leider eine Tatsache: Etwa die Hälfte der Schlaganfallpatienten erfahren keine Behandlung der Depression, wobei die Ursache zum einen beim Patienten liegt – Angst vor Stigmatisierung (das bedeutet „Schubladendenken“ Außenstehender) und die Vorstellung, nicht nur körperlich, sondern zusätzlich auch psychisch krank zu sein. Zum anderen hat die Seele bei der Behandlung des Schlaganfalls oft zu wenig Platz, denn je schwerer die die körperliche Erkrankung ist, desto weniger wird die seelische Befindlichkeit betrachtet.
- Medikamente oder Psychotherapie: Ohne Medikamente kommt man bei einer schweren Depression selten aus, die Langzeitwirkung einer gute Therapie ist aber zu bevorzugen, sie funktioniert aber nur gemeinsam mit dem Patienten.
Die gute Nachricht:
Mit professioneller Hilfe und einer frühzeitiger Therapie ist Heilung möglich. Zu den Säulen der Behandlung zählen eine Kombination aus neurologischer Rehabilitation, pharmakologischen und psychotherapeutischen Bausteinen. Einen hohen Stellenwert nimmt der Sport ein und die gute Pflege der Sozialkontakte.
Persönliche Worte richtete Prof. Grulke an die Angehörigen:
Sie brauchen Geduld und Durchhaltevermögen, aber auch Unterstützung. Passen Sie auf sich selbst auf, so bleiben Sie länger funktionstüchtig und können sich länger um den zu Pflegenden kümmern. Aber auch der Patient sollte seinen Angehörigen einen aktiven Schubs geben, damit sie nicht nur selbstlos pflegen. Nutzen Sie die Sozialberatung, damit Sie wissen welche Unterstützung es gibt (Sozialdienste, Krankenkassen, Versorgungsämter und die Selbsthilfegruppen)
Die schnelle Behandlung einer Depression nach einem Schlaganfall führt nachgewiesenermaßen zu einer Verbesserung der Lebensqualität.
Depressiv nach der Comicfigur Charlie Brown (Zeichner und Autor Charles M.Schulz) Kopf runter: Ich bin deprimiert. Wenn du deprimiert bist, ist es ganz wichtig, eine ganz bestimmt Haltung einzunehmen... Das Verkehrteste, was du tun kannst, ist aufrecht und mit erhobenem Kopf dazustehen, weil du dich dann sofort besser fühlst.
* Die Initiative Schlaganfall sagt DANKE für die überaus großzügige Gastfreundschaft der Luisenklinik.
Kontakt: Prof. Dr. Norbert Grulke (Ärztlicher Direktor Luisenklinik Bad Dürrheim), Telefon 07726/6684