Expertenvortrag Heilmittel – nötig, möglich und wer entscheidet?
Die Initiative Schlaganfall hatte Betroffene, Angehörige und Interessierte zu einer Veranstaltung mit Matthias Merz, Leiter des CompetenceCenters Heilmittel bei der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg eingeladen. „Erstmal vermutet man viel Bürokratie hinter der Heilmittelverordnung. Es ist in der Tat ein komplexes Thema, dass sich dem Laien nicht sofort erschließt“, eröffnete der Experte gleich zu Beginn seinen Vortrag mit den Zahlen zum Ausgabenvolumen der AOK in unserer Region: insgesamt werden jährlich mehr als 19 Millionen Euro ausgegeben, wobei die Physiotherapie mit zirka 75 Prozent, die Ergotherapie mit rund 11 Prozent, die Logopädie mit 10 Prozent und die Podologie mit rund 3 Prozent beteiligt sind. Das brisante Thema Heilmittel wir aus diesem Grund schon mal gerne als „Heilige Kuh“ bezeichnet.Da kann man sich gut vorstellen, dass es zu einem Spannungsfeld aufgrund der verschiedenen Interessen der Beteiligten, nämlich Patient, Arzt, Kostenträger und Leistungserbringern, kommen kann. „Im Vordergrund steht natürlich der Patient, dessen krankheitsbedingte Beeinträchtigungen durch Heilmittel abzumildern sind. Seine Krankheit sollte ausheilen beziehungsweise ein Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten werden“, so der Experte. Unter Einbezug der Diagnostik muss der Arzt den Zustand des Patienten erkennen, dokumentieren und danach entscheiden, welches Heilmittel er aus dem für ihn bindenden Heilmittelkatalog verordnen kann. Nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist abzuwägen, ob eventuell durch Hilfsmittel – das können Orthesen, Gehhilfen oder ähnliches sein – oder Arzneimittel Therapieziele qualitativ gleichwertig und kostengünstiger erreicht werden können. Ein großes Thema sei heute laut Merz das Budget. Wenn es ausgeschöpft ist, müssen sich Patienten gedulden. Hier ist Aufklärung wichtig, denn es gibt vom Gesetzgeber eine Abhilfe in Form einer extra budgetären Verordnung.
Steht die Erkrankung auf der Diagnoseliste hat die Krankenkasse keinen Einfluss. Der Arzt kann so in maßvollem Rahmen auch außerhalb seines Budgets Heilmittel verordnen, wenn langfristige Einschränkungen oder Behinderungen vorliegen. Eine weitere Option, so Merz, sei der verordnete Rehasport, eine Ergänzung bzw. Alternative zur Heilmittelverordnung. Unter unseren Zuhörern bestand großes Interesse an der Realisierung einer Reha-Sportgruppe, da es aktuell in der Region für Schlaganfall Betroffene keine gibt. Speziell für Schlaganfallpatienten gibt es im umfangreichen Heilmittelkatalog nur eine „handvoll“ Therapien, zum Beispiel die Krankengymnastik nach Bobath – ein wirklich wichtiger Begriff, der nachgefragt werden sollte – die wiederum nicht von allen Therapeuten erbracht werden kann
Fotografin: Elke Rauls AOK
Kontakt: Matthias Merz, Leiter CompetenceCenter der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg, Telfon 07461 704430