Dr. Ilse Gehrke, Direktorin der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Altersmedizin im Schwarzwald-Baar Klinikum

Expertenvortrag im Januar 2023 Unser Thema: Moderne Altersmedizin – Chancen für mehr Selbständigkeit

Im jugendlichen Alter beeindrucken Infos zum Abbau des menschlichen Körpers ab Mitte Zwanzig wenig. Das ändert sich mit der Häufigkeit der Geburtstage. Seit ein paar Jahren wird das Thema Altersmedizin zunehmend in Kliniken als ein Schwerpunkt sichtbar. Was verbirgt sich dahinter und warum wird sie auch als Medizin der Zukunft benannt?

Die Lebenserwartung in Deutschland steigt und steigt – die Einbrüche sind Auswirkungen der beiden Weltkriege

Dr. Ilse Gehrke: „Der Zuwachs an Lebenserwartung begleitet uns. Trotz des medizinischen Fortschritts kommen wir an Alterserscheinungen nicht vorbei. Die Muskelkraft lässt nach, die Lungenfunktion wird schwächer, die „Qualität“ der Sinnesorgane lässt nach. Allerdings nimmt auch die Zahl der Zivilisationskrankheiten deutlich zu“.

Auswirkungen durch zu hohem Zuckerkonsum, Mangel an Bewegung, Überernährung, Alkoholkonsum, übertriebener Hygiene oder auch Stress, Lärm und Leistungsdruck. Und dann kommt plötzlich eine Akuterkrankung – ein Schlaganfall, ein Herzinfarkt oder ein Beinbruch dazu.

„Gute Nachrichten“: bessere körperliche und geistige Fitness im Alter

Dr. Gehrke: „Die gute Nachricht für Ältere: Heute haben wir eine erhebliche höhere körperliche und geistige Fitness, gute sozialen Einbindung in familiäre und außerfamiliäre Beziehungen, was wiederum ein hohes Niveau an emotionalem und persönlichem Wohlbefinden bewirkt. Und es gibt effektive Strategien, um mit Gewinnen und Verlusten im späten Leben zurechtzukommen.“

Betagte Patienten leiden oft unter Funktionsverlust, Komorbidität (neben einer Grunderkrankung kommen weitere Störungen hinzu), Sturzgefahr, Osteoporose und allgemeinen Schmerzen

Was ist erfolgreiches Altern? Zu versuchen, Krankheiten zu vermeiden und damit funktionale Beeinträchtigungen zu minimieren und ein bestmögliches geistiges und körperliches Funktionsniveau zu halten. Wichtig dabei ist ein aktives Engagement anzustreben in sozialen Beziehungen und durch produktive Tätigkeiten sowie eine gelingende Anpassung an die veränderte Lebenssituation im Alter, die auch den Umgang mit Verlusten einschließt.

Häufige Probleme geriatrischer Patienten: Immobilität, Instabilität, Intellektueller Abbau, Inkontinenz, Infektion, Isolation, Interaktion (Wechselwirkung aufgrund vieler Medikamente)

Die Aufgabe der Altersmedizin ist eine Kombination von Akutmedizin und organbezogener Behandlung und einer funktionsbezogenen Frührehabilitation. Entscheidende Fragen für den Arzt sind die nach der Mobilität und funktionellen Situation vor der Einweisung ins Krankenhaus und welches Behandlungsziel ergibt sich daraus. Nur eine sichere Diagnose, eine medizinische Prognose und eine gezielte Therapie kann zu einer baldigen Entlassung führen. Tests der Patienten durch ein Team von Ärzten und Therapeuten vor, während und bei Abschluss der Behandlung zeigen die Entwicklung im Genesungsprozess auf.

Die Gebrechlichkeit nimmt im Alter zu, aber man kann etwas dagegen tun!

Die Ziele der Altersmedizin: den Zustand Gesundheit so lange wie möglich zu erhalten.

Dr. Gehrke: „Geriatrische Patienten brauchen eine genaue Situationsanalyse. Atypische Symptome von Erkrankungen müssen erkannt werden und der Einfluss begleitender Erkrankungen und geriatrischer Syndrome – die Fähigkeiten, Mobilität und Kognition und die soziale Situation einschließt.

Typischer Test zur Kontrolle des Zustandes eines Patienten: Zeitmessung beim Aufstehen von einem Stuhl, gehen einer definierten Wegstrecke, Umkehr und wieder Hinsetzen.

Im Krankenhaus muss dann eine begleitende Frührehabilitation als geriatrische Komplexbehandlung realisiert werden. Im Team von Arzt, Pflege, Physio-, Ergo- und Logopädie wird der Zustand des Patienten eingeschätzt: Wie ist seine Alltagsfähigkeit (Selbstversorgungsmöglichkeit), seine Mobilität, sein kognitiver Zustand, seine Emotionen und sein soziales Umfeld