Prof. Dr. Sebastian Russo, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin im Schwarzwald-Baar Klinikum beim Vortrag der Initiative Schlaganfall

Expertenvortrag im September: Macht Narkose dumm und schusselig?

Besonderheiten der Anästhesie bei Kindern und bei älteren Menschen

Prof. Russo, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin im Schwarzwald-Baar Klinikum: „Macht Narkose dumm und schusselig betrifft nicht nur Sie, die Älteren, sondern auch die Kinder. Es gibt Parallelen bei der Narkose bei Kindern und was es zu beachten gibt und auch für Sie zutrifft.“

Die Neugierde auf den Vortrag von Prof. Dr. Sebastian Russo war groß…

Sein Plädoyer für die Arbeit der Anästhesisten: „Prinzipiell können wir keinen Einfluss darauf nehmen, wie die Operation gelingt, aber wie es Ihnen geht, dafür sind wir mitverantwortlich. Und wie gut Sie durch die Operation kommen – dafür sind wir maßgeblich verantwortlich. Das gilt für Kinder wie auch für Erwachsene. Und es gilt, dass eher die Anästhesisten als die Anästhetika eine Gefahr für das Gehirn des Babys oder Älterer bei einer OP darstellen. Angst vor bestimmten Medikamenten muss keiner haben, es steht immer die Frage im Raum, wie man das Gleichgewicht bei Kindern und auch bei Erwachsenen aufrechterhält.“

Die Aufrechterhaltung der Körperhomöostase ist Aufgabe des Anästhesisten

Es gelten 10 Gebote, die „10 N´s“ einer Qualitätsanästhesie für Kinder aber auch für alle Erwachsenen:

No fear (keine Angst), es muss eine Atmosphäre geschaffen werden, dass der Patient keine Angst hat

Normaler Blutdruck – der darf nicht abfallen, sondern muss stabil gehalten werden, alle Organe müssen auch bei einer OP vernünftig durchblutet werden

Normale Herzfrequenz

Normaler Flüssigkeitshaushalt

Normaler Sauerstoffgehalt im Blut

Normaler Kohlendioxidgehalt im Blut

Normaler Elektrolythaushalt (Salzhaushalt)

Normaler Zuckergehalt im Blut

Normale Körpertemperatur

No Pain (keine Schmerzen)

Die 10 „N´s“ gelten bei Operationen für Erwachsen und Kinder gleichermaßen

Damit keiner nach einer OP „schusselig“ wird, geht es um die Aufrechterhaltung der Körperhomöostase, dem Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen, und es werden auch keine Beruhigungsmittel vor einer Narkose verabreicht.

Prof. Russo: „Es gibt die heutige Erkenntnis, dass man bis zu Beginn einer Operation trinken darf und auch soll, allerdings nur Wasser. Eine vernünftige Flüssigkeitsaufnahme führt zu weniger Schmerzen und zu weniger Übelkeit. Interessant auch, dass man im Aufwachraum sofort Essen und Trinken darf!

Prof. Russos Credo: Viel trinken…

Richtig ist, dass je älter ein Patient, aber auch je jünger ein Kind ist, desto eher können Komplikationen auftreten.“

Die Fähigkeit auf extreme Bedingungen zu reagieren, nimmt im Alter ab. Die Möglichkeiten des Körpers auf Stress, Flüssigkeitsmangel, Unterkühlung und Blutdruckabfall zu reagieren, sind im Alter eingeschränkt. Deshalb ist der Anästhesist gefordert, damit man nicht erst 3 Monate nach einer OP wieder der Alte ist.

Wie gut Sie durch die Operation kommen – dafür sind wir Anästhesisten maßgeblich verantwortlich…

Eine der ganz wichtigen Aufgaben des Anästhesisten ist es, den Patienten während der OP schmerzfrei zu halten, das kann mit einer Teilnarkose geschehen, bei der die Nervenbahnen einzelner Körperteile unterbrochen werden oder mit einer Rückenmarksnarkose, wo mit Hilfe eines Medikamentes die Schmerzübertragung behindert wird und wir den Schmerz nicht wahrnehmen.

Prof. Russo: „Wenn Sie die Möglichkeit haben zwischen einer Vollnarkose und einem Verfahren, das nur eine Körperregion betäubt, wählen Sie die Körperregion. Wichtig gerade bei betagten Patienten sind kurze Nüchternheitszeiten und möglichst lange und viel trinken, ob Wasser, Apfelsaft oder Kaffee. Für feste Nahrung gilt ca. 6 Stunden vor einer OP aufhören. Eine Wärmedecke garantiert, dass Sie Ihre normale Körpertemperatur beibehalten. Und Sie sollten Ihre Orientierungshilfen dabeihaben: die Brille, das Hörgerät und unter Umständen auch eine Bezugsperson gerade bei dementen Patienten, die im Aufwachraum für den Patienten da ist.“

Zum Ende des Vortrages betonte Prof. Russo nochmals: Sie können mithelfen, wenn Sie viel trinken

Fazit von Prof. Russo: „Ja die Narkose kann schusselig machen, wichtig ist, dass das Körpergleichgewicht, die Homöostase, auch während der Narkose aufrechterhalten bleibt – das ist unser Job! Und Sie können mithelfen, wenn Sie viel trinken.“

Noch eine Anmerkung: Im Rahmen der Aktion Engagement macht stark im September 2023 wurde ein Beitrag zu der Veranstaltung bzw. zum Vortrag veröffentlicht. Wir haben „unseren“ Beitrag im Ratgeber veröffentlicht. Wer den kompletten Rückblick lesen will: Im Rückblick 2023 wurde bundesweit über 50 Aktionen berichtet – wir waren dabei!