Aufgrund der großen Nachfrage haben wir uns entschlossen, den Inhalt des Vortrages mit dem Thema „ Schlaganfall durch Gefäßerkrankungen – was können wir vorher / nachher tun “ vom 11.Juli 2022 an dieser Stelle in Kurzform wiederzugeben
Kaum vorstellbar – 100.000 km Gefäße sind im menschlichen Körper!
Die Gefäße von der Halsschlagader bis zum Gehirn sind ein wichtiges aber nur ein kleines Teil des Gefäßsystems im Körper. Man beachte – wir haben ca. 100.000 km Gefäße in uns! Die Gefäßmedizin betrachtet nur die großen, die operiert und kontrolliert werden können. Die Schlagadern sind die „zuführenden Gefäße“ und müssen funktionieren. Sonst wird es kritisch! Gefäße, die für die Ernährung oder den Sauerstofftransport in die Zellen verantwortlich sind, sind klein und verzweigt, da kann man nichts machen.
Was ist der Alltag eines Gefäßmediziners?
Dazu gehören die Behandlung von Schlagadern: Carotis (Halsschlagader), Embolien (Blutgerinnsel, die vom Herzen kommen), Aneurysmen und in der Hauptsache arterielle Verschlusskrankheiten – vorwiegend in den Beinen. Vermehrt behandeln wir aber auch Erkrankungen der Venen – Krampfadern, Thrombosen, die Verhinderung von offenen Beinen, den diabetische Fuß, Wunden (offene Wunden sind ein Gefäßproblem) und auch Druckgeschwüre, bei denen es durch langes Liegen zu Durchblutungsstörungen kommen kann. Hinzu kommen die Dialysepatienten, die bei Gefäßverschlüssen schnell von uns behandelt werden müssen.
Was leistet das Gefäßsystem in uns?
Erst dann, wenn das Gefäßsystem nicht mehr richtig funktioniert, wird die Wichtigkeit für uns spürbar. Mit 50% sind Erkrankungen des Gefäßsystems die häufigste Krankheit und ältere Menschen können daran sterben. Dazu zählen mit 14% sind Schlaganfälle, mit 18% Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mit wiederum 18% Beinverschlüsse – es drohen Amputationen.
Blutgerinnsel kommen vom Herzen – was passiert dann?
Wandern Blutgerinnsel ins Gehirn, entsteht unweigerlich ein Schlaganfall. Was dann betroffen ist, hängt davon ab, wo das Blutgerinnsel im Gehirn feststeckt. Wandern Blutgerinnsel in die Arme, ist das selten ein Problem – meist steckt es dann in der Ellenbeuge und kann dort entfernt werden – es gibt keine Komplikationen. Andere Möglichkeiten, wohin das Blutgerinnsel wandert, sind die Beine und die Bauchgefäße – das kann sehr problematisch sein, weil man davon nichts merkt.
Ist die Carotis (Halsschlagader) der Ausgangspunkt für einen Schlaganfall?
Unser Gefäßsystem hält grob bis Hundert, dann bricht es zusammen, Herzinfarkt, Schlaganfall und Beinamputationen können die Folge sein. Bei jedem gibt es mit steigendem Alter Ablagerungen an den Gefäßen, es kommt zu Verengungen. Das an sich ist noch nicht kritisch, verwirbelt sich aber nach einer Engstelle das Blut, kann es dort zu Ablagerungen von Blutplättchen an den Gefäßwänden kommen. Und nur wenige Herzschläge später lösen sie sich und können so zur Gefäßverstopfung führen. Der Kalk ist nicht das Problem, der sitzt fest wie Beton an der Gefäßwand.
Was bedeuten Stenosen für Risikoerhöhungen?
Spricht man von 50%-Stenosen, bedeutet das, nur noch 50% des Blutdurchflusses sind aufgrund von Ablagerungen an den Gefäßwänden möglich. Das ist für den Patienten unkritisch, muss aber regelmäßig kontrolliert werden. Ab 80 Jahre haben 7% der Männer diese 50% Stenosen, Männer sind gefäßanfälliger – der Grund sind die Hormone. Bei steigendem Alter hört dieser Hormonschutz für die Frauen auf und ab da verändern sich die Gefäße stärker, die Frauen „holen auf“.
Treten 70%-Stenosen auf, d.h. es ist nur noch 30% des Blutflusses möglich, stellt sich die Frage nach einer Operation oder einem Stent oder dem Aufdehnen des Blutgefäßes. Der Grund: es steigt das Verwirbelungsrisiko und damit die Gefahr eines Carotis bedingten Schlaganfalles.
Was sind asymptomatische und was symptomatische Stenosen?
Hat ein Patient eine Verengung, die durch eine Ultraschalluntersuchung angezeigt wird, aber es sind sind noch keine Symptome aufgetreten, spricht man von asymptomatischen Stenosen. Nur ein kleiner Teil der Patienten wird je einen Schlaganfall haben.
Hatte ein Patient bereits einen Schlaganfall oder eine kurze Durchblutungsstörung (TIA-transischämische Attacke), sollte man sich unbedingt untersuchen lassen. Man spricht von symptomatischen Stenosen. Hier ist das Risiko, erneut einen Schlaganfall zu erleiden, erheblich höher. Es ist in diesem Fall zu klären, ob eine Operation sinnvoll ist oder nicht. Im hohen Alter birgt natürlich jede Operation Gefahren und es muss im Gespräch zwischen Arzt und Patient abgewogen werden, wie im Einzelfall entschieden werden sollte. Die Informationen vom Arzt sollen den Patienten befähigen, sich richtig zu entscheiden.
Zum Wissen dazu gehört aber auch die Information, dass jeder 4. Patient mit einer 70%-Stenose innerhalb von 5 Jahren einen Schlaganfall bekommt – auch hier muss abgewogen werden zwischen Risiko und Nutzen einer OP.
Wie diagnostizieren wir?
Mit einer Ultraschalluntersuchung (Sonografie) werden Veränderungen der Gefäße sichtbar. Im Laufe der Jahre bilden sich Verdickungen an den Gefäßwänden, die sich immer mehr verhärten. Beim Ultraschall wird der Blutfluss, die Fließgeschwindigkeit des Blutes an der Engstelle gemessen. Bei einem Wert von 3 Meter/Sekunde wird der Patient beraten, ob eine OP sinnvoll ist. Wichtig ist, dass später die “andere Seite“ kontrolliert wird. Normalerweise hat man die Krankheit auf beiden Seiten. Interessant: Wächst die Gesichtsschlagader zu, bedeutet das, es gibt keine Komplikationen. Hier wird der Gefäßmediziner nichts unternehmen, da es genügend andere Versorgungsgefäße gibt.
Was bedeutet „Konservative Therapie“?
Patienten, die noch keinen Schlaganfall hatten, sollten beachten: Wenn ich weiß, ich bin anfällig und gefährdet, kann ich schon vorher etwas tun. Dazu gehören an erster Stelle gesunde Kost (Vollwertkost) und körperliche Aktivität, aber das Zigarettenrauchen sollte beendet werden – Nikotin ist gefährlich. An zweiter Stelle kommen die Medikamente zur Blutverdünnung wie ASS 100, damit es nicht zur Bildung von Blutplättchen kommt.
Aber dennoch werden im Schwarzwald-Baar Klinikum jährlich zwischen 50 und 100 Patienten an der Halsschlagader operiert. Dr. Eder spricht von Wiederherstellen, vom Rekanalisieren der Gefäße, um Verwirbelungen nach Engstellen zu vermeiden. Interessant: Männer profitieren mehr von einer OP als Frauen, weil Sie von Haus aus ein höheres Risiko haben.
Ein Schlaganfall kann nicht rückgängig gemacht werden!
Durch eine OP kann es keine Verbesserung geben, aber es kann der nächste Schlaganfall verhindert werden. Deshalb ist die beste Lösung eine Reha nach einer Operation der Carotis, die möglichst eine Woche nach dem Schlaganfall sein sollte! Alleine durch „eigene Arbeit“ in der Reha oder zu Hause mit Unterstützung von Therapeuten kann es zu Verbesserungen kommen.
Wussten Sie, das eine Operation der Carotis mit örtlicher Betäubung durchgeführt wird?
Seit vielen Jahren wird diese Operation vorwiegend mit örtlicher Betäubung durchgeführt. Eine bessere Kontrolle des Gehirns gibt es nicht. Negative Auswirkungen wie Lähmungserscheinungen oder Sprechprobleme merken wir Ärzte sehr schnell und können entsprechend reagieren. Durch ein “Ersatzröhrchen“ kann das Blut dann in das Gehirn geleitet und die Gefahr eines Schlaganfalls während der Operation vermieden werden. Unter Vollnarkose muss ein Patient aufwändig mit vielen Apparaturen kontrolliert werden, um ähnliche Auswirkungen auszuschließen.
Ist ein Patient nach dieser Operation „geheilt“?
Nach der OP gibt es regelmäßige Nachkontrollen der Wunde. Aber schon bald darauf wird die nicht operierte Seite überwacht. Der Mensch ist quasi symmetrisch aufgebaut, das bedeutet, das mit großer Wahrscheinlichkeit auch die andere Halsschlagader gefährdet ist.
Welche Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen gibt es und wie sieht eine Gewichtung aus?
Nicht beeinflussbar sind das Alter – mit steigendem Alter steigt das Risiko. Männer sind eindeutig gefährdeter und wenn eine negative Familienanamnese bekannt ist. Man spricht von einer familiären Disposition, d.h. in der Familie traten in der Vergangenheit gehäuft Schlaganfälle oder Herzinfarkte auf.
Dr. Eder: „Ein Patient, der mit diesen Risiken lebt, sollte schleunigst mit dem Zigarettenrauchen aufhören, sonst ist er der nächste in der Reihe!“
Andere Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen (erhöhte Cholesterinwerte) sind medikamentös gut einstellbar.
Welchen Ausblick gibt es?
Dr. Eder: „Alte Zöpfe müssen abgeschnitten werden. Die Nichtoperation ist ein wichtiger Teil der Gefäßmedizin. Maßnahmen wie Aufdehnen von Adern oder auch Stents setzen sind Bestandteile der Gefäßintervention. Ganz wichtig ist Gefäße zu trainieren. Gehtraining, fit halten und Spazieren gehen haben einen dramatischen Einfluss auf die Risikofaktoren. Der Cholesterinspiegel sinkt (Cholesterin wird abgebaut), Blutdruck und Blutzucker sinken. Gefäßverschlüsse in den Beinen können durch Gehtraining umgangen werden“.