Christian Ludin, Amtsrichter am Betreuungsgericht Villingen-Schwenningen zu Gast bei der Initiative Schlaganfall

Expertenvortrag im Oktober 2022 Unser Thema: Möglichkeiten und Grenzen des Betreuungsrechts

Christian Ludin, seit 10 Jahren Betreuungsrichter beim Amtsgericht Villingen-Schwenningen ist, war zu Gast bei der Initiative Schlaganfall. Seine Themen das neue Betreuungsrecht, die Bedeutung von Vorsorgevollmacht und Pflegeversicherung, Grund genug, viele Besucher zu dieser Veranstaltung anzulocken.

Informationen zum Betreuungsrecht zu Vorsorgevollmacht und zur Patientenverfügung lockten viel Besucher

Richter Christian Ludin: „Wenn Sie schlau sind, regeln Sie Ihre Angelegenheiten so lange es Ihnen gut geht mit den Leuten, denen Sie vertrauen, mit einer Vollmacht, der einzige Weg, eine Betreuung durch Dritte zu verhindern. Die Vollmacht sollte natürlich an einem Ort sein, wo sie auch gefunden wird und mit demjenigen besprochen sein und auch übergeben sein“.

Eine Vorsorgevollmacht hat nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile:

Vorteil ist, man kann sich seinen Vertreter selbst aussuchen man braucht kein Gerichtsverfahren und damit keinen Richter, es erfordert keine zusätzlichen Kosten und eine Vollmacht ist jederzeit widerruflich

Nachteil: Unklar ist, ob diese Person zum erforderlichen Zeitpunkt da ist, es gibt keine gerichtliche Kontrolle – die bevollmächtigte Person kann machen was sie will, ohne kontrolliert zu werden. Aber auch der Bevollmächtigte kann jederzeit die Vollmacht niederlegen und das kann gerade in dem Moment passieren, wo die Vollmacht nötig ist.

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, wichtig für jeden, damit es nicht zu bösen Überraschungen kommt

Eine Patientenverfügung ist keine Vollmacht. Sie ist ein Brief an Ärzte – die sie nicht kennen, wenn man selbst nicht mehr sprechen kann. Christian Ludin dazu: „Sie schreiben dem Arzt, wer Sie sind, wovor Sie Angst haben, was für Sie Leben, was für Sie Sterben ist, was für Sie schwer ist, was Sie möchten und was Sie nicht möchten, wo Sie einwilligen und wo nicht“.

Wichtig ist auch zu wissen, dass Bevollmächtigter und Betreuer grundsätzlich nicht befugt sind, eine Patientenverfügung auszustellen, sie muss vom Patienten selbst geschrieben sein. Schwierige Grenzentscheidungen durch Angehörige und Ärzten können so mit ihr erspart werden.

Christian Ludin: „Pauschale Formulierungen, wie sie vor allem in älteren Patientenverfügungen stehen, sind völlig unwirksam wie beispielsweise ich wünsche keine lebenserhaltenden Maßnahmen oder ich möchte in Frieden sterben“.

In der Patientenverfügung ist selten genau der eingetretene Fall geregelt. Deshalb sollte eine Patientenverfügung so geschrieben haben, dass der Leser erkennt, was man gewollt hätte, wenn man zum konkret eingetretenen Fall gefragt würde. Man sollte auf die sogenannte Analogiefähigkeit achten und so den Arzt befähigen, im Sinne des Patienten die richtige Entscheidung für eine Behandlung zu treffen.

Eine wichtige Erkenntnis haben wir mit nach Hause genommen: eine Patientenverfügung ist keine Vollmacht

Der medizinische Fortschritt ist oft nicht bedacht. Was ist, wenn eine heute geschriebene Patientenverfügung erst in 40 Jahren zum Einsatz kommt? Innerhalb ca. 10 Jahren verdoppelt sich das Wissen in der Medizin. Es könnte sein, dass man Angst vor etwas hatte, was heute nicht mehr Angst macht. Wünscht man dann keine Behandlung, obwohl eine Behandlung möglich ist? Besser ist hier, eine Begründung zum „warum“ zu formulieren, dann kann die Entscheidung des Arztes eine andere – im Sinne des Patienten sein. Auch deshalb sollte eine Patientenverfügung aktualisiert werden.

Und dann gab es noch interessante Informationen zum Ehegattenvertretungsrecht, das ab Januar 2023 Gültigkeit bekommt: Es gilt für Ehegatten und auch für homosexuelle Paare, aber nicht für Unverheiratete oder getrenntlebende Ehegatten oder wenn bekannt ist, dass der Ehegatte das nicht will (altershalber oder der Betroffene hat Kärtchen „bloß nicht mein Ehegatte…“) oder man hat jemanden bereits bevollmächtigt oder für den Ehegatten ist ein Betreuer eingesetzt. Wenn bekannt ist, dass es zu einem Konflikt zwischen den Ehepartnern kommt, kann das Ehegattenvertretungsrecht ausgehebelt werden und ein Betreuer bestellt werden. Auch, wenn der „Betreute“ seine Krankheit überwunden hat, gilt das Recht nicht mehr. Geht die Krankheit länger als 6 Monate, ist Schluss, es endet das Ehegattenvertretungsrecht – dann kommt wieder das Betreuungsgericht dran! Für den Amtsrichter eine fragwürdige Entscheidung.

Das neue Ehegattenvertretungsrecht, gültig ab Januar 2023 füllt 2 Seiten und regelt doch nur einen Teil der Vorsorge…

Übernehmen kann der Ehegatte 4 Aufgabenkreise auch ohne Vollmacht und auch ohne einen Betreuer bei Bewusstlosigkeit oder schwerer Krankheit:

Gesundheitssorge wahrnehmen (die ärztliche Schweigepflicht wird aufgehoben), einen Behandlungs- oder Pflegevertrag abzuschließen, in freiheitsentziehende Maßnahmen einwilligen (z. B. Fixierungen für die Dauer von max. 6 Wochen) und Ansprüche gegen Dritte abzutreten oder geltend zu machen

Nicht geregelt sind: Geld abheben, Mietvertragsänderung, wenn da keine Vollmacht vorhanden ist, aber Sie dürfen ggf. einer Amputation, Fesselung oder Einweisung in ein Pflegeheim zustimmen!