Martin Vierl, Chefarzt der Rehaklinik Sonnhalde in Donaueschingen

Expertenvortrag im Juni 2023: Schmerz lass nach – wir fragten: wie kann das funktionieren?

Martin Vierl, Chefarzt der Rehaklinik Sonnhalde in Donaueschingen, brachte es gleich zu Beginn seines Vortrages zum Thema Schmerz auf den Punkt: „Schmerz ist das Symptom, das bei vielen Erkrankungen den Patienten zum Arzt bringt. Aber es gibt auch Erkrankungen, die heimtückischer weise keine Schmerzen verursachen wie Bluthochdruck, ein Schlaganfall oder der Beginn einer Krebserkrankung.“

Schmerzen kennt jeder – gespannte Aufmerksamkeit beim Vortrag von Martin Vierl

Akute Schmerzen beruhen fast immer auf Schädigungen – sie vergehen normalerweise von selber und sind auch gut zu behandeln.

Oft ist es so, dass sich aus einem akuten Schmerz ein chronischer Schmerz entwickelt. Um Schmerzen zu empfinden braucht es zuerst einen Schmerzreiz, der mechanisch, chemisch oder auch thermisch sein kann. Über spezialisierte Nervenzellen kommt es über das Rückenmark – zu Muskelreaktionen: Man zuckt blitzschnell von einer heißen Herdplatte weg, es wird eine Schonhaltung eingenommen oder es kommt zu Verspannungen. Aber Reaktionen wie Veränderungen bei der Durchblutung, Hautreaktionen oder Schwitzen sind möglich. Alle diese Reaktionen können wir nicht beeinflussen, sie laufen automatisch ab.

Unsere Muskulatur: Opfer, Quelle und Bühne von Schmerzen

Gleichzeitig wird im Gehirn der Schmerz wahrgenommen, verarbeitet, es kommt zu Schmerzäußerungen und Handlungen.

Schmerzen sind in erster Linie lästig, aber auch wichtig um weitere Schmerzreize zu vermeiden, den Schädigungsort zu lokalisieren und ist deshalb eine sinnvolle Schutzfunktion für den Körper.

Die Muskulatur spielt beim Schmerz eine wichtige Rolle: zur Vermeidung weiterer Schädigungen z.B. beim zurück ziehen von der heißen Herdplatte, einnehmen einer Schonhaltung oder auch zu einer Grimassenbildung. Verspannungen, Verkürzungen, Konditionsverluste und gestörte Bewegungsmuster sind Auswirkungen der Muskulatur bei Schmerzen.

Martin Vierl: „Welche Therapie braucht die Muskulatur? Bei Verspannungen hilft Entspannung, bei Konditionsverlust sollte man trainieren und einer geschwächten Muskulatur kann man mit Muskelkräftigung entgegenwirken. Passive Hilfe von außen hilft meist nur vorübergehend – Patienten müssen selbst aktiv werden. Durch Training lässt sich die Muskulatur wieder in einen Normalzustand zu bringen“.

Große Frage: Welche Therapie braucht die Muskulatur

Und was ist mit chronischen Schmerzen? Dabei spielt uns der Kopf im wahrsten Sinne des Wortes einen Streich – bei mehrmaliger Benutzung eines Schmerzrezeptors wird dieser empfindlicher, die Schmerzschwelle sinkt und so könne selbst leichte Reizungen starke Schmerzen verursachen. Chronische Schmerzen fühlen sich an wie eine Schädigung, es gibt aber keine Schädigung! Ein Schmerzpatient muss bewusst gegen die Schmerzen angehen wobei er meist Hilfe dafür braucht.

Schmerzen verändern die Psyche…

Die multimodale Schmerztherapie greift mit Medikamenten ein, ggf. mit therapeutischer Lokalanästhesie, mit Physiotherapeuten, mit physikalischer Therapie und mit Sporttherapie. Mit eigenem Training kommt der Patient am weitesten, auch wenn es erst einmal weh tut. Psychologen helfen mit seelischer Entspannung um den Schmerzkomplex zu behandeln bzw. mit Schmerz umzugehen. Der Schmerzpatient muss an seinem Krankheitsbild mitarbeiten – eine „Werkstattmedizin“ funktioniert nicht.